Schorndorfer Nachrichten Samstag, 19. Februar 2005

       
 

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Heute: OB Kübler zur Diskussion um ein Schorndorfer Bordell

Wenn man die in der letzten Woche urplötzlich sehr heftig entflammte Diskussion um Prostitution und Bordell liest und hört, könnte man meinen, dass dieses Klima in Schorndorf erst durch die Überlegungen zur Zulassung eines Bordells im bisherigen Asylbewerberheim aktuell wurde. Das ist aber leider nicht der Fall. Schon seit vielen Jahren kämpft die Stadtverwaltung zusammen mit der Polizei gegen die sich in den verschiedensten Formen in Schorndorf ausbreitende Prostitution. Allein das Vorgehen gegen die so genannte Wohnungsprostitution füllt schon einen Leitz-Ordner. Immer wieder wird die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass sich in Wohngebieten, sei es in Einfamilien- oder Mehrfamilienhäusern, Prostituierte eingenistet haben und ihrer Arbeit nachgehen. Das ist jeweils mit mehr oder weniger großen Belästigungen für die Mitbewohner beziehungsweise die Nachbarschaft verbunden. Jedesmal ist dann mitunter auch langwieriges Verfahren zur Beendigung solcher Wohnnutzungen notwendig. In der Vergangenheit gab es auch schon an verschiedenen Standorten Kleinbordelle, von denen im Augenblick noch zwei bestehen. Wo solche eingerichtet werden, entschied bisher immer der Zufall. Der Stadtverwaltung war es, weil vorher weder eine Anfrage noch ein Zulassungsgesuch eingereicht wurde, jeweils nicht möglich, im Vorfeld einzugreifen. In letzter Zeit drängen verstärkt Betreiber von größeren Anlagen nach Schorndorf. Die Stadtverwaltung wurde mit Plänen zur Einrichtung von Bordellen in bereits bestehenden größeren Gebäuden in Haubersbronn, Weiler und auch in der Kernstadt konfrontiert. Die Abwehr solcher Vorhaben geschah stets auf juristisch wackeligen Beinen, so dass die von der Stadtverwaltung getroffene ablehnende Entscheidung jedesmal von der Hoffnung begleitet wurde, dass die Antragsteller nicht den Rechtsweg beschreiten. In dieser Abwehrsituation befindet sich die Stadt.

Wir sind also bei Weitem nicht in der unbefleckten Situation, wie das von verschiedenen Seiten, insbesonderer von Dekan Junt und Diakon Meng, behauptet wird. Schorndorf ist keine Insel der Keuschheit, sondern von der zunehmenden Sexualisierung genauso geprägt wie alle anderen Städte unseres Landes, die sich, ob sie wollen oder nicht, dem Thema Prostitution und seinen Begleiterscheinungen widmen müssen. Tabus fallen reihenweise. Die Prostitution ist legalisiert - von Gesetzeswegen und in der Anschauung vieler Menschen. Die Stadtverwaltung hat das Thema Bordell aufgegriffen, damit, wenn schon in Schorndorf eine solche Einrichtung kommen soll, diese so platziert wird, dass von ihr möglichst keine Störungen ausgehen. Das Asylbewerberheim an der Stuttgarter Straße kam deshalb ins Blickfeld, weil der Mietvertrag mit dem Kreis im August ausläuft. Bisher waren dort bis zu 170 Asylbewerber untergebracht. Zuletzt handelte es sich fast auschließlich um junge Männer, die wegen zahlreicher Delikte ins Blickfeld der Polizei kamen. Tägliche Polizeieinsätze waren notwendig. Drogenhandel, illegale Prostitution, Eigentumsdelikte, Hehlerei usw. waren an der Tagesordnung. Unsere örtliche Polizei musste durch Kräfte der Bereitschaftpolizei verstärkt werden, weil die Einsätze an Umfang, Zahl und Schwierigkeit ständig zunahmen. Wenn man das weiß, dann ist das, was von der Diakonie als Betreiber der Behindertenwerkstätten im Blick auf ein geplantes Bordell vorgebracht wird, hanebüchen. Die ganzen Jahre, während das Asylbewerberheim dort schon besteht, gab es von dieser Seite keine nennenswerten beschwerde, obwohl das Gefährdungspotenzial ungleich größer war. Auch die Argumentation von Dekan Junt steht insofern insofern auf tönernen Füßen, als er zusammen mit dem kirchlichen Bezirksarbeitskreis Asyl noch im Juli letzten Jahres im Asylbewerberheim ein großes Fest der Verbrüderung mit den Asylbewerbern feierte, bei dem scharfe Kritik an der Politik unseres Landes und an anderen Stellen geübt wurde, nicht aber am Verhalten der Asylbewerber.

Solche Doppelbödigkeit ist für uns von der Stadtverwaltung schon mehr als ärgerlich, die wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, das Problem Prostitution für die Bürger unserer Stadt wenn schon nicht zu verhindern, so doch erträglich zu gestalten. Diese Möglichkeit gibt es aber nur, wenn dem Betreiber vertragliche Bindungen auferlegt werden können, z.B. was die Außenwerbung betrifft, oder die Belegungszahlen. Was letztere betrifft, muss die genannte Zahl von 40 Insassinnen als Horrorszenario angesehen werden. Allenfalls 15 ist realistisch. Dass Herr Schloz eine solche Einrichtung nicht in der Nachbarschaft seines Betriebes haben möchte, ist verständlich.

Andererseits muss man wissen, dass so genannte Laufhäuser, und ein solches ist geplant, in einem Gewerbegebiet zulässig sind. Es wird also immer einen oder gar mehrere Betriebe als Nachbarn geben, wie in der Baumwasenstraße schon der Fall ist. Deshalb hilft der Vorschlag von Herrn Schloz, doch besser Haubersbronn zu bestimmen, auch nicht weiter.

Bei der Diskussion am vergangenen Montag wurde verschiedentlich erklärt, dass man den Standort draußen an der Stuttgarter Straße für durchaus praktikabel halte, aber doch nicht von der Stadt oder von der SWS bereitgestellt! Soll heißen, wenn das von jemand Privatem Privatem für solche Zwecke vermietet würde, wäre das durchaus tolerierbar. Fühlt man sich da nicht an die Moraltheologie des frühen Mittelalters erinnert? Damals durften die Christen ja bekanntlich keinen Geldhandel betreiben und keine Zinsen nehmen. Inzwischen können die Christen ganz gut mit Geld umgehen; es gilt nicht mehr als sündhaft, Zinsen zu nehmen. Restbestände dieser ethischen Grundsätze sind aber wohl noch vorhanden. Vertreten kann man diese, aber nur unter Ausblendung der Realität. Unsere Zeit gibt alte Werte auf und schafft leider neue, denen man mit den alten Maßstäben nicht gerecht wird.

In einer nichtöffentlichen Aussprache im Gemeinderat wurden am Donnerstagabend auch andere Standortvarianten diskutiert, die im Falle einer Sperrbezirksverordnung zum Verbot von Prostitution als "Toleranzzonen" ausgewählt werden müssen. Ins Gespräch kam dabei auch der Standort Stuttgarter Strasse 40, wobei, würde dieser Platz ausgewählt, die Beschwerden der Bewohner der Siedlung Alter Baumwasen wirklich berechtigt wäre; übrigens auch die der unmittelbaren Nachbarn. Bei dieser Diskussion wurde deutlich, dass, wo auch immer man eine solche Einrichtung platzieren würde, mit noch größeren Widerständen gerechnet werden müsste, als an der äußeren Stuttgarter Straße mit der Nähe zum B-29-Anschluss.