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Heute: OB Kübler zur Diskussion um ein Schorndorfer Bordell
Wenn
man die in der letzten Woche urplötzlich sehr heftig entflammte
Diskussion um Prostitution und Bordell liest und hört, könnte
man meinen, dass dieses Klima in Schorndorf erst durch die Überlegungen
zur Zulassung eines Bordells im bisherigen Asylbewerberheim aktuell wurde.
Das ist aber leider nicht der Fall. Schon seit vielen Jahren kämpft
die Stadtverwaltung zusammen mit der Polizei gegen die sich in den verschiedensten
Formen in Schorndorf ausbreitende Prostitution. Allein das Vorgehen gegen
die so genannte Wohnungsprostitution füllt schon einen Leitz-Ordner.
Immer wieder wird die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass sich in
Wohngebieten, sei es in Einfamilien- oder Mehrfamilienhäusern, Prostituierte
eingenistet haben und ihrer Arbeit nachgehen. Das ist jeweils mit mehr
oder weniger großen Belästigungen für die Mitbewohner
beziehungsweise die Nachbarschaft verbunden. Jedesmal ist dann mitunter
auch langwieriges Verfahren zur Beendigung solcher Wohnnutzungen notwendig.
In der Vergangenheit gab es auch schon an verschiedenen Standorten Kleinbordelle,
von denen im Augenblick noch zwei bestehen. Wo solche eingerichtet werden,
entschied bisher immer der Zufall. Der Stadtverwaltung war es, weil vorher
weder eine Anfrage noch ein Zulassungsgesuch eingereicht wurde, jeweils
nicht möglich, im Vorfeld einzugreifen. In letzter Zeit drängen
verstärkt Betreiber von größeren Anlagen nach Schorndorf.
Die Stadtverwaltung wurde mit Plänen zur Einrichtung von Bordellen
in bereits bestehenden größeren Gebäuden in Haubersbronn,
Weiler und auch in der Kernstadt konfrontiert. Die Abwehr solcher Vorhaben
geschah stets auf juristisch wackeligen Beinen, so dass die von der Stadtverwaltung
getroffene ablehnende Entscheidung jedesmal von der Hoffnung begleitet
wurde, dass die Antragsteller nicht den Rechtsweg beschreiten. In dieser
Abwehrsituation befindet sich die Stadt.
Wir sind also bei Weitem nicht in der
unbefleckten Situation, wie das von verschiedenen Seiten, insbesonderer
von Dekan Junt und Diakon Meng, behauptet wird. Schorndorf ist keine
Insel der Keuschheit, sondern von der zunehmenden Sexualisierung
genauso geprägt
wie alle anderen Städte unseres Landes, die sich, ob sie wollen
oder nicht, dem Thema Prostitution und seinen Begleiterscheinungen widmen
müssen. Tabus fallen reihenweise. Die Prostitution ist legalisiert
- von Gesetzeswegen und in der Anschauung vieler Menschen.
Die Stadtverwaltung hat das Thema Bordell aufgegriffen, damit, wenn schon in
Schorndorf eine solche Einrichtung kommen soll, diese so platziert wird, dass
von ihr möglichst keine Störungen ausgehen. Das Asylbewerberheim an
der Stuttgarter Straße kam deshalb ins Blickfeld, weil der Mietvertrag
mit dem Kreis im August ausläuft. Bisher waren dort bis zu 170 Asylbewerber
untergebracht. Zuletzt handelte es sich fast auschließlich um junge Männer,
die wegen zahlreicher Delikte ins Blickfeld der Polizei kamen. Tägliche
Polizeieinsätze waren notwendig. Drogenhandel, illegale Prostitution, Eigentumsdelikte,
Hehlerei usw. waren an der Tagesordnung. Unsere örtliche Polizei musste
durch Kräfte der Bereitschaftpolizei verstärkt werden, weil die Einsätze
an Umfang, Zahl und Schwierigkeit ständig zunahmen. Wenn man das weiß,
dann ist das, was von der Diakonie als Betreiber der Behindertenwerkstätten
im Blick auf ein geplantes Bordell vorgebracht wird, hanebüchen. Die ganzen
Jahre, während das Asylbewerberheim dort schon besteht, gab es von dieser
Seite keine nennenswerten beschwerde, obwohl das Gefährdungspotenzial ungleich
größer war. Auch die Argumentation von Dekan Junt steht insofern insofern
auf tönernen Füßen, als er zusammen mit dem kirchlichen Bezirksarbeitskreis
Asyl noch im Juli letzten Jahres im Asylbewerberheim ein großes Fest der
Verbrüderung mit den Asylbewerbern feierte, bei dem scharfe Kritik an der
Politik unseres Landes und an anderen Stellen geübt wurde, nicht aber am
Verhalten der Asylbewerber.
Solche Doppelbödigkeit ist für uns von der Stadtverwaltung schon mehr
als ärgerlich, die wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen,
das Problem Prostitution für die Bürger unserer Stadt wenn schon nicht
zu verhindern, so doch erträglich zu gestalten. Diese Möglichkeit gibt
es aber nur, wenn dem Betreiber vertragliche Bindungen auferlegt werden können,
z.B. was die Außenwerbung betrifft, oder die Belegungszahlen. Was letztere
betrifft, muss die genannte Zahl von 40 Insassinnen als Horrorszenario angesehen
werden. Allenfalls 15 ist realistisch. Dass Herr Schloz eine solche Einrichtung
nicht in der Nachbarschaft seines Betriebes haben möchte, ist verständlich.
Andererseits muss man wissen, dass so genannte Laufhäuser, und ein solches
ist geplant, in einem Gewerbegebiet zulässig sind. Es wird also immer einen
oder gar mehrere Betriebe als Nachbarn geben, wie in der Baumwasenstraße
schon der Fall ist. Deshalb hilft der Vorschlag von Herrn Schloz, doch besser
Haubersbronn zu bestimmen, auch nicht weiter.
Bei der Diskussion am vergangenen Montag wurde verschiedentlich erklärt,
dass man den Standort draußen an der Stuttgarter Straße für
durchaus praktikabel halte, aber doch nicht von der Stadt oder von der SWS bereitgestellt!
Soll heißen, wenn das von jemand Privatem Privatem für solche Zwecke
vermietet würde, wäre das durchaus tolerierbar. Fühlt man sich
da nicht an die Moraltheologie des frühen Mittelalters erinnert? Damals
durften die Christen ja bekanntlich keinen Geldhandel betreiben und keine Zinsen
nehmen. Inzwischen können die Christen ganz gut mit Geld umgehen; es gilt
nicht mehr als sündhaft, Zinsen zu nehmen. Restbestände dieser ethischen
Grundsätze sind aber wohl noch vorhanden. Vertreten kann man diese, aber
nur unter Ausblendung der Realität. Unsere Zeit gibt alte Werte auf und
schafft leider neue, denen man mit den alten Maßstäben nicht gerecht
wird.
In einer nichtöffentlichen Aussprache im Gemeinderat wurden am Donnerstagabend
auch andere Standortvarianten diskutiert, die im Falle einer Sperrbezirksverordnung
zum Verbot von Prostitution als "Toleranzzonen" ausgewählt werden
müssen. Ins Gespräch kam dabei auch der Standort Stuttgarter Strasse
40, wobei, würde dieser Platz ausgewählt, die Beschwerden der Bewohner
der Siedlung Alter Baumwasen wirklich berechtigt wäre; übrigens auch
die der unmittelbaren Nachbarn. Bei dieser Diskussion wurde deutlich, dass, wo
auch immer man eine solche Einrichtung platzieren würde, mit noch größeren
Widerständen gerechnet werden müsste, als an der äußeren
Stuttgarter Straße mit der Nähe zum B-29-Anschluss. |
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